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Wer war Stilla von Abenberg?

Autorenbild: Die QuerleserinDie Querleserin

Stilla von Abenberg (um 1100, vermutlich auf Burg Abenberg, Bayern / Deutschland - um 1140/50), Kirchenstifterin und Wohltäterin; 1927 selig gesprochen, Gedenktag: 19. Juli


Stilla von Abenberg zählt zu jenen Seligen, deren Verehrung sich auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt. Bei ihr sind es die deutschen Bistümer Augsburg und Eichstätt. Ihre ikonographische Darstellung wird von ihren Grabmälern bestimmt. Auf der reliefierten Deckplatte ihres Grabes, die um 1220 geschaffen wurde und erhalten geblieben ist, trägt sie ein langes, gegurtetes Kleid mit weit herabhängenden Ärmeln und hält in ihren Händen ein Kirchenmodell, das das von ihr gestiftete Peterskircherl symbolisiert. Später wurde aus ihrem Kircherl eine Wallfahrtsstätte. Im 15. Jahrhundert wurde an diese ein Kloster angebaut, das der Augustinerregel unterstellt war. Auf ihrem Epitaph, der um das Jahr 1680 geschaffen wurde, ist Stilla nun als Nonne dargestellt, die sie nach der Überlieferung niemals war. Nun trägt sie den Habit einer Augustiner Chorfrau mit Mantel, Wimpel, Weihel und Schleier. In der Ikonographie ist Stilla von der Kirchenstifterin zur Klostergründerin und Ordensfrau mutiert.


Aber was wissen wir eigentlich über die wirkliche Stilla? Nach der Überlieferung stammte sie aus einer adeligen Familie im Herzogtum Bayern, den südlich von Nürnberg ansässigen Grafen von Abenberg, (Diese Familie darf nicht mit den Grafen von Abensberg verwechselt werden.) Die Grafschaft Abenberg war zwischen 1002 und 1024 entstanden. 1040 hatte ein Wolfram von Abenberg den gleichnamigen Ort gegründet, wo seine Familie auch ihren Sitz hatte. Obwohl in der Geschichtsforschung umstritten, gibt es eine Theorie, wonach Stillas Familie ein Familienzweig, der im Früh- und Hochmittelalter im Herzogtum Bayern ansässigen Pabonen gewesen sein könnte.

Für längere Zeit stellte Stillas Herkunftsfamilie die Vögte des Hochstiftes Bamberg. Mehrere Mitglieder der Familie brachten es als Geistliche zu hohen Würden. Stilla gilt als eine Großnichte des Erzbischofs Konrad (I.) von Salzburg (gest. 1147) und soll auch mit dessen Nachfolger Eberhard von Biburg (gest. 1164) verwandt gewesen sein. Eine wichtige Rolle in ihren Leben spielte Bischof Otto von Bamberg (gest. 1139), der noch im 12. Jahrhundert heiliggesprochen wurde und ebenfalls ein Verwandter von ihr gewesen sein soll. Ihr Gelübde der Jungfräulichkeit soll sie in seinen Händen abgelegt haben.

Für mich persönlich ist allerdings interessanter, dass sie dieses Gelübde nicht allein, sondern mit drei anderen Frauen gemeinsam ablegte. Sie war also Teil einer Frauengruppe, wenn vermutlich die Ranghöchste von dieser. Ihre Frauengruppe widmete ihr weiteres Leben dem stillen Gebet und dem Dienst an Notleidenden und Kranken - führte also ein Leben im Dienst für andere und in Form einer klösterlichen Gemeinschaft, ohne sich dazu unter klösterliche Aufsicht zu stellen. Aus heutiger Sicht wirkt das Fehlen einer klösterlichen Aufsicht sehr fortschrittlich. Falls Stilla allerdings später Pläne für eine Klostergründung hatte oder langfristig für sich selbst allein oder mit ihren Gefährtinnen den Eintritt in ein Kloster geplant hat - vorstellbar wäre das mit Blick auf die Schicksale ähnlicher Frauengruppen -, sollten diese nicht mehr verwirklicht werden. Da eine Stilla im bisher bekannten Stammbaum der Grafen von Abenberg nicht aufscheint, gibt es in der Forschung die Vermutung, dass sie ursprünglich einen anderen Namen trug und Stilla wegen ihrer Lebensführung genannt wurde. Allerdings kann sie auch eine jener Frauen im Stammbaumkonstrukt der Wissenschaft sein, deren Name nicht überliefert ist.


Nach der Überlieferung, die zumindest glaubwürdig wirkt, ließ Stilla auf einem Hügel in der Nähe der väterlichen Burg Abenberg eine kleine Kirche errichten, das sogenannte Peterskircherl, das Bischof Otto von Bamberg um 1136 den Heiligen Petrus und Paulus weihte. Stilla, die vermutlich noch 1150 starb, wurde in ihrer Stiftung beigesetzt.

Der Legende nach war dies Stillas eigene Entscheidung. Angeblich war geplant, sie in der neuen Familiengrablege in der Zisterzienserabtei Heilsbronn beizusetzen. Stilla soll daraufhin einen ihrer Handschuhe aus ihrer Stube auf der Burg Abenberg über die Burgmauern geschleudert haben. Dies mit den Worten, sie wolle dort begraben werden, wo ihr Handschuh gefunden werde. In einer anderen Version dieser Legende wirft sie statt einem Handschuh ihren Schleier von der Burg. Der Handschuh bzw. Schleier wird dann in der von ihr gestifteten Peterskirche gefunden. Daraufhin wird sie dort und nicht in Heilsbronn beigesetzt. Die Legende deutet eine Rivalität zwischen Stillas Kirche und der Zisterzienserabtei Heilsbronn an. Angeblich waren die Abenberger, die das Kloster Heilsbronn stifteten, Stillas Brüder, und einer von ihnen, Rapoto (gest. um 1172), Vogt von Hochstift Bamberg, soll Stillas Plan, bei ihrer Kirche ein Kloster zu stiften, verhindert haben, indem er das dafür bestimmte Gut an sich brachte und für Heilsbronn verwendete. Zumindest wird hier ein nachvollziehbarer Grund angeboten, warum Stilla nicht in Heilsbronn beigesetzt werden wollte. Selbst mit der Wahl ihrer letzten Ruhestätte trat sie für ihr Kircherl ein. Letztlich konnte sie, obwohl nur eine Frau, selbst entscheiden, wo sie beigesetzt wurde. Auf uns wirkt das heute eher verrückt, aber für den Menschen im Mittelalter spielte die Sorge um seine Grablege und sein Andenken bzw. die damit verbundene Erinnerungskultur eine wichtige Rolle. Die Erinnerungskultur war in einer Familiengrablege recht gut gesichert, solange die Nachfahren auf die Grablege Zugriff oder an der Förderung und Erhaltung Interesse hatten. Selbst wenn man dabei als Einzelperson vergessen wurde, so bestand eine gute Chance im Familienverband nicht vergessen zu werden, so gesehen ging Stilla mit ihrer Entscheidung, im Peterskircherl beigesetzt zu werden, das Risiko ein, vergessen zu werden. Auch wenn das nicht der Fall war.


An Stillas Grab sollen sich wundersame Heilungen ereignet haben, gesichert ist, dass es sich zu einer Wallfahrtsstätte entwickelte. Spätestens für 1480 lässt sich ein Kult um Stilla und ihre Gefährtinnen auch schriftlich nachweisen. 1491 gründete dann der Bischof von Eichstätt neben ihrer Peterskirche das Augustiner Chorfrauenkloster Marienburg, das bis 1805 bestand und dann säkularisiert wurde. 1920 wurde das ehemalige Kloster Marienburg von Barmherzigen Schwestern von der Schmerzhaften Muttergottes übernommen und revitalisiert.


Einige Jahre später, am 12. Jänner 1927, wurde Stilla von Abenberg von Papst Pius XI. (gest. 1939) selig gesprochen. Ihr Sarkophag, der sich noch immer in der Klosterkirche befand, wurde als Folge dieser Seligsprechung erneut zum Ziel für Wallfahrten. In Abenberg hat sich die Erinnerung an Stilla gehalten. Heute erinnert dort an sie die Stilla-Apotheke am Marktplatz.


Quellen und Literatur

 

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