Lydia von Philippi, genannt um 49 nach Christi Geburt, Geschäftsfrau, vermutete Leiterin der ersten christlichen Gemeinschaft in Europa; als Heilige verehrt; Gedenktag: 3. August
Lydia von Philippi, die Schutzpatronin der Färberinnen und Färber, ist eine Figur aus der Apostelgeschichte im Neuen Testament. In der orthodoxen Kirche wurde ihr der Ehrentitel "apostelgleich" verliehen. Soweit sind wir in der katholischen Kirche leider noch nicht. Immerhin kann die liturgische Gleichstellung von Maria Magdalena mit den Aposteln im Jahr 2016 als ein erster Schritt in diese Richtung gelten. Lydia ist jedenfalls ein gutes Beispiel dafür, dass Frauen, zumindest in der Anfangszeit des Christentums, keineswegs nur untergeordnete Rollen hatten.
Die Herkunft der „Frau aus Lydien“, so die Bedeutung ihres Namens, ist unbekannt. Nach ihrem Herkunftsort wurden oft Sklavinnen und Sklaven benannt. Lydia könnte eine freigelassene Sklavin gewesen sein. Aber gesichert ist das nicht.
In der Apostelgeschichte ist sie eine in Philippi ansässige Purpurhändlerin, die aus dem in Lydien gelegenen Ort Thyatira (Thyateira / heute Akhisar, Türkei) stammte. Ihr Herkunftsort war zu ihrer Zeit eine bedeutende Handelsstadt in Kleinasien und für ihre Textilerzeugung und Purpurfärberei bekannt. Um mit Purpur handeln zu können, war Geld notwendig, denn Purpur war damals sehr wertvoll, auch wenn der Purpur aus Thyatira nicht jene Qualität hatte, die wir heute mit Purpur verbinden. Doch gerade, weil er als "minderwertiger" Purpur eingestuft wird, konnten mit ihm gute Geschäfte gemacht werden, war er doch für die weniger begüterte Oberschicht leistbar. Als Purpurhändlerin dürfte Lydia recht wohlhabend gewesen sein.
Die Apostelgeschichte verrät nicht, warum Lydia nach Philippi gezogen war. Philippi gehört zu jenen antiken Städten, die heute nicht mehr als solche erhalten sind. Es befand sich in der Nähe des im nördlichen Griechenland gelegenen Ortes Krinides, wo sich immerhin Ruinen der Stadt erhalten haben. Zu Lydias Lebzeiten war Philippi eine wichtige Stadt an der Haupthandelsroute nach Rom, vielleicht ein Grund, warum sie dorthin übersiedelt war oder sich um 49 nach Christi Geburt dort aufhielt.
Da ein Ehemann nicht genannt ist, wird Lydia im Jahr 49, als der Apostel Paulus mit seinem Begleiter Silas nach Philippi kam, unverheiratet oder Witwe gewesen sein. Nach der Apostelgeschichte war sie eine "Gottesfürchtige", also eine Heidin, die mit dem Judentum sympathisierte und die Synagogen besuchte. Paulus muss Lydia mit seiner Predigt sehr beeindruckt haben, denn sie bot ihm und Silas Unterkunft an und ließ sich wenig später mit ihrem Haushalt und ihren Angestellten taufen. Nach dem Paulus und sein Begleiter eine Nacht im Gefängnis verbringen mussten, worüber in der Apostelgeschichte ausführlich berichtet wird, kehrten er und Silas nach ihrer Freilassung nochmals bei Lydia ein.
In Lydias Haus traf sich zunächst die erste christliche Gemeinde in Philippi. Paulus hielt weiterhin Kontakt mit dieser Gemeinde, wie sein Brief an die Gemeinde in Philippi zeigt. Dort erwähnt er übrigens, dass diese Gemeinde ihn finanziell unterstützte. Lydia allerdings wird in seinem späteren Brief nicht mehr namentlich genannt.
Ihnen, meinen Leserinnen und Lesern, wird aufgefallen sein, dass ich bei Lydia in der kurzen Zusammenfassung, die meine Artikel zu Heiligen und Seligen immer eröffnet, keine Eckdaten angeführt habe. Der Grund dafür ist, dass die Überlieferung historisch nicht wirklich gesichert ist. Der einzige Anhaltspunkt ist das Jahr 49 nach Christi Geburt, als Paulus und Silas in Philippi sind. Der Umstand, dass Lydia sich mit ihrem gesamten Haushalt bzw. ihrer Familie taufen lässt, zeigt, dass sie in diesem bzw. dieser die „leitende Funktion“ besaß. Zusammen mit ihrer Rolle als Geschäftsfrau liegt die Annahme nahe, dass sie zu diesem Zeitpunkt eine Frau mittleren oder höheren Alters gewesen sein wird. Daher vermute ich, dass sie zu Beginn oder im ersten Viertel des 1. Jahrhunderts nach Christi Geburt geboren ist. Es wäre sogar vorstellbar, dass ihr Geburtsdatum vor Christi Geburt liegt.
Aber wann starb sie? Da über ihr weiteres Leben, nachdem sie Paulus begegnet war, keine Informationen vorliegen, gibt dieses keine Anhaltspunkte. Dass sie in dem Brief, den Paulus später an die christliche Gemeinde in Philippi schrieb, nicht genannt wird, lässt ebenfalls Raum für Spekulationen. Gewöhnlich wird davon ausgegangen, dass Lydia zum Zeitpunkt des „Philipperbriefes“ nicht mehr in Philippi gelebt hat. Vielleicht aber hatte die Nichterwähnung andere Gründe. Lydia könnte bereits verstorben gewesen sein. Vielleicht hatte sie sich mit der Gemeinde überworfen. Vielleicht aber hatte sie sich vom christlichen Glauben wieder abgewendet, weil er ihr doch nicht hatte genügen können. In den Heiligenlegenden findet sich nur die Abwendung von nicht christlichen Religionen, aber in der Realität wird es sicher auch den Gegenfall gegeben haben. Doch das sind alles nur Möglichkeiten. Belege und eindeutige Indizien dafür gibt es nicht.
Fakt ist, dass wir nicht wissen, wie es mit Lydia weiterging, nachdem sie Paulus begegnet war. Nach einer christlichen Überlieferung soll sie zu Ende des 1. Jahrhunderts in Philippi gestorben sein.
Lydia war jedenfalls die erste Person im damaligen Europa, die das Christentum annahm. Sie war, wenn vielleicht auch nur für kurze Zeit, die Leiterin der ersten christlichen Gemeinde in Europa und eine wichtige Unterstützerin der neuen Religion. Wenn auch Lydias weiteres Schicksal unbekannt ist, fällt doch auf, dass sich unter den Heiligen in der Anfangszeit des Christentums bis zu den Christenverfolgungen der Spätantike eine ganze Reihe von Frauen finden, die "Nachfolgerinnen" von Lydia waren.
Quellen und Literatur
Hiltgart L. Keller (Hrsg.): Reclams Lexikon der Heiligen und Biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der Bildenden Kunst. Philipp Reclam jun., Stuttgart, 9., durchgesehene Auflage 2001. ISBN 3-15-010492-0, S. 391
Bernadette Spitzer: Von Bischofsstab bis Besenstil. Mit 365 Heiligen durchs Jahr. Wiener Dom Verlag, Wien, 2020. ISBN 978-3-85351-294-4. S. 226
Jakob Torsy (Hrsg,): Lexikon der Deutschen Heiligen, Seligen, Ehrwürdigen und Gottseligen. Verlag J. P. Bachem, Köln, 1959, S. 362
Vivat Magazin online, Link: https://www.vivat.de/magazin/christliches-leben/starke-frauen/starke-frauen-lydia/, abgerufen am 2. August 2024
Joachim Schäfer: Artikel Lydia von Philippi, aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon, Link: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienL/Lydia_von_Philippi.html, abgerufen am 2. August 2024
Artikel bei Wikipedia, Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Lydia_(Bibel), abgerufen am 2. August 2024
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