Bertha von Ratzenhofen, auch Bertha von Biburg (11. Jahrhundert - angeblich um 1151), Adlige; Stifterin bzw. Mitstifterin des ehemaligen Benediktinerklosters zu Biburg (1125-1808) und Stifterin der Wallfahrtskirche Allersdorf; verehrt als Selige, Gedenktag: 6. August
Wie bei den meisten Menschen, die im Früh- oder Hochmittelalter gelebt haben, sind zu Bertha nur der Name und Eckdaten überliefert,. Einige Hinweise zu ihr ergeben sich aus dem, was über ihre Herkunftsfamilie und die Familie ihres Ehemannes bekannt ist.
Bertha von Ratzenhofen war die Tochter des Grafen Eberhard (I.) von Ratzenhofen und Ehefrau des Grafen Heinrich (I.) von Sittling. Der Ort Sittling ist heute Teil der an der westlichen Grenze des niederbayerischen Landkreises Kelheim gelegenen Gemeinde Neustadt an der Donau. Der Ort Ratzenhofen ist heute Teil der Gemeinde Elsendorf, die sich ebenfalls im niederbayerischen Landkreis Kelheim befindet. Die Eheschließung zwischen Bertha und Heinrich war somit eine Heirat zwischen zwei benachbarten Familien.
Bertha von Ratzenhofen war über ihre Herkunftsfamilie eine Verwandte von Berthold von Moosburg (gest. nach 1106), der unter Kaiser Heinrich IV. (gest. 1106; König, dann Kaiser 1053/1056-1105) aus politischen Gründen 1085 als Erzbischof von Salzburg eingesetzt wurde. Obwohl er die vom Papst eingesetzten Salzburger Erzbischöfe zeitweise zur Flucht aus dem Erzbistum nötigte, konnte er sich letztlich weder gegen Erzbischof Gebhard (gest. 1088) noch gegen dessen Nachfolger Thiemo (gest. um 1101/02) und Konrad (gest. 1147) durchsetzen.
Aus ihrer Ehe mit Heinrich hatte Bertha mehrere Kinder, darunter die Söhne Grimold, Ulrich, Eberhard und Arbeo und die Tochter Bertha, die angeblich Benediktinerin war und als erste Priorin dem Benediktinerinnenkloster Biburg vorgestanden haben soll. Möglicherweise wurde sie später mit ihrer gleichnamigen Mutter verwechselt. Grimold von Sittling (urkundlich genannt 1080-1123) gilt als Stammvater einer Familie, die sich seit Mitte des 12. Jahrhunderts nach der heute ebenfalls in Neustadt an der Donau gelegenen Burg Wöhr benannte und Anfang des 13. Jahrhunderts in "männlicher" Linie endete. Seine jüngeren Brüder Eberhard und Arbeo erbten von ihrer Mutter die Biburg. Ulrich war später Vogt des neu gegründeten Klosters Biburg. Eberhard (gest. 1164), der wie seine Mutter später als Seliger verehrt wurde, war der erste Abt dieses Klosters und später Erzbischof von Salzburg.
Um 1125 wurden die Besitzungen von Bertha und ihrem Ehemann Heinrich zwischen ihren Söhnen geteilt. Bei dieser Aufteilung kam die Biburg, die ursprünglich zu Berthas Heiratsgut gehört hatte, an die jüngeren Söhne Eberhard und Arbeo. 1125 schenkten die Brüder, wohl mit Zustimmung weiterer Familienmitglieder, die Biburg der Domkirche zu Bamberg mit der Auflage, dort ein Kloster nach der Regel der Benediktiner zu gründen. Dies war angeblich der Wunsch der Mutter Bertha gewesen.
Bereits 1125 dürfte mit dem Umbau der Burg zu einem Kloster und dem Bau einer Kirche für dieses begonnen worden sein. 1133 war bereits eine vorläufige erste Weihe möglich. 1140 war der Klosterkomplex soweit fertig, dass er von den damaligen Bischöfen Heinrich von Regensburg und Egilbert von Bamberg zu Ehren "Unserer Lieben Frau", geweiht werden konnte. Kloster und Kirche wurden also dem Patronat der Jungfrau und Gottesmutter Maria unterstellt. Das Kloster Biburg war ursprünglich ein Doppelkloster, das heißt, dass es aus einem Benediktinerinnenkloster und einem Benediktinerkloster bestand.
1278 wurde das Doppelkloster Biburg von einem schweren Brand heimgesucht. Danach wurde sein Frauenkloster nicht wieder aufgebaut. Ende des 13. Jahrhunderts zwangen wirtschaftliche Schwierigkeiten zum Verkauf von Klostergut, ohne dass diese auf Dauer behoben werden konnten. Seit 1400 mangelte es an Mönchen. In den Wirren der Reformation wurde das Kloster, nachdem es schon länger leer gestanden hatte, 1555 aufgehoben. 1589 wurde das ehemalige Benediktinerkloster von den Jesuiten aus Ingolstadt übernommen, 1781 übernahmen es die Malteser. Als Folge der Säkularisierung wurde das Kloster Biburg 1808 geschlossen.
Kehren wir zu Bertha von Ratzenhofen zurück. Sie selbst dürfte noch die Errichtung des Doppelklosters Biburg und seine ersten Jahre erlebt haben. Dem Kloster wurde auch die Marienkirche zu Abensberg (früher Allersdorf), eine der Maria Himmelfahrt geweihte Wallfahrtskirche, unterstellt, wo Bertha nach ihrem Tod zunächst beigesetzt war. Nach der Gründungslegende soll diese Wallfahrtskirche von einer Gräfin von Abensberg gegründet worden sein. In der neueren Forschung gilt jedoch Bertha von Ratzenhofen als Stifterin dieser Kirche, wozu auch die ursprüngliche Beisetzung von Berthas Leichnam in dieser passen würde.
Es sei denn, dass Bertha noch vor der Weihe der Biburger Klosterkirche starb und das auf der Deckplatte ihres Hochgrabes angegebene Todesjahr unrichtig ist. In diesem Fall könnte ihre Beisetzung in der Wallfahrtskirche nur vorübergehend erfolgt sein, bis die Klosterkirche für eine Beisetzung zur Verfügung gestanden hätte. Fakt ist, dass Berthas Hochgrab jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt in die Biburger Klosterkirche übertragen wurde. Heute existiert es nicht mehr, erhalten hat sich von ihm aber die Deckplatte mit dem Todesjahr 1151.
Wieder einmal müssen wir mit Blick auf eine problematische Quellenlage bei Schlussfolgerungen vorsichtig sein. Denn Berthas Rolle ist durch Belege kaum gedeckt. Natürlich ist es verlockend, aus dem, was über sie erzählt wird, Schlussfolgerungen zu ziehen. Nehmen wir zum Beispiel die Legende, dass sie selbst Steine zum Bauplatz der Klosterkirche von Biburg geschleppt hat. Ist es vorstellbar, dass eine Gräfin Steine selbst geschleppt hat? Aus heutiger Sicht lautet die Antwort eindeutig nein, Wie wurde das aber zu Berthas Lebzeiten gesehen oder zu der Zeit, als die Legende entstand oder erfunden wurde? Muss diese Geschichte deswegen gänzlich fiktiv sein? Baumaterial wurde für den Bau benötigt, selbst wenn es nur der Umbau einer Burganlage zu einer Klosteranlage gewesen ist. Daneben könnte wenigstens die Kirche tatsächlich ein Neubau gewesen sein. Vielleicht spielt die Legende darauf an, dass Bertha sich darum kümmerte, dass das Baumaterial vor Ort gebracht wurde. Sollte sie dabei tatsächlich auch selbst einen Stein ein Stück dorthin getragen haben, könnte es sich um eine symbolische Geste gehandelt haben. Vielleicht ging es dabei auch nur darum, die eigenen Mägde und Knechte oder Freiwillige zu motivieren. Das wäre vorstellbar, aber es fehlen Belege, also ist es nur eine Spekulation.
Halten wir uns aber an die Fakten, ergibt sich bis jetzt folgendes Fazit: Bertha von Ratzenhofen war Teil einer adeligen Familie, die im 12. Jahrhundert ein Kloster in der heute in Niederbayern gelegenen Gemeinde Biburg gründete. Nach einer Legende beteiligte sich Bertha persönlich am Bau der Kirche dieses Klosters und soll die Steine für die Klosterkirche selbst herbei geschleppt haben. Gesichert ist dagegen, dass das Kloster in bzw. aus einer Burg entstand, die zu Berthas Heiratsgut gehört hatte. Da sie zum Zeitpunkt der Stiftung noch am Leben war, war somit ihre Zustimmung zu dieser rechtlich erforderlich. Bertha könnte die treibende Kraft hinter dieser Klostergründung gewesen sein, ihr tatsächlicher Anteil daran ist allerdings nicht durch Belege gesichert. Sie gilt außerdem als Stifterin der bei Biburg gelegenen Wallfahrtskirche Allersdorf, was ebenfalls nicht eindeutig durch die Belege gesichert ist.
Quellen und Literatur
Hauptquelle und bisher einzige Quelle ist der Artikel im Ökumenischen Heiligenlexikon Online, Link: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienB/Bertha_von_Biburg.html, abgerufen am 29. Juni 2024
Zu ihrer gleichnamigen Tochter findet sich ein sehr kurzer Eintrag in: Jakob Torsy (Hrsg,): Lexikon der Deutschen Heiligen, Seligen, Ehrwürdigen und Gottseligen. Verlag J. P. Bachem, Köln, 1959; S. 84
Hinweise zu den Herren oder Grafen von Sittling gibt es auf der Website zu Neustadt an der Donau, Link: https://www.neustadt-donau.de/stadt-neustadt/heimatpflege/einstige-burgen-der-stadt/die-herren-von-sittling, abgerufen am 29. Juni 2024
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