Mechthildis (Mechthild, Mathilde) von Dießen (um 1125, vermutlich auf der Burg Dießen am Ammersee oder auf der Burg Andechs, beide Herzogtum Bayern / heute Deutschland - 31. Mai 1160, in Dießen am Ammersee, Herzogtum Bayern / heute Deutschland), Augustiner Chorfrau, Äbtissin in Edelstetten; Seligsprechung 1468, Gedenktag: 31. Mai oder 6. Juli, in Dießen am Montag nach dem Dreifaltigkeitssonntag
Im Gebiet um den Ammersee in Bayern hat sich bis heute ein Kult um Mechthildis von Dießen gehalten, Ihre Gebeine werden dort seit 1698 in einem Glasschrein im Marienmünster in Dießen gezeigt. Nach der Erhebung im Jahr 1468 waren sie 1488 dort in einem Marmorsarg neu beigesetzt worden. Im Vorraum von diesem, der früheren Stiftskirche des Augustiner Chorherrenstiftes Dießen, soll noch immer der sogenannte Mechtildisstein ausgestellt sein, auf dem Mechthildis sich einer Überlieferung nach ausruhte. Angeblich soll eine Berührung des Steins heute Kopfschmerzen vertreiben. Unterhalb der ehemaligen "Sconenpurch" bei Dießen entspringt der Mechthildisbrunnen, eine Quelle, deren Wasser Heilkräfte zugeschrieben werden. Besonders bei Augenleiden soll es helfen.
Abgesehen davon, dass es doch eigentlich schön ist, dass auch Heilige und Selige, wie "gewöhnliche" Menschen, einmal ein wenig ausruhen müssen, hat Mechthildis da ein doch sehr sympathisches Erbe hinterlassen: die Hoffnung oder vielleicht sogar eine reelle Chance auf eine Heilung. Dabei ist Mechthildis als Patronin eigentlich nicht für Krankheiten zuständig, sondern für eine gute Aussaat und den Schutz vor Starkregen und Gewittern, der leider wieder sehr notwendig geworden ist, zumindest im Spätfrühling und in den Sommermonaten.
Mechthildis soll bereits zu Lebzeiten im Ruf einer Heiligen gestanden haben. Die Erhebung ihrer Gebeine im Jahr 1468 verrät, dass sie damals entweder vom Heiligen Stuhl seliggesprochen wurde oder dieser zumindest ihre lokale Verehrung empfohlen bzw. abgesegnet wurde.
Aber wer könnte diese Frau gewesen sein?
Eine Chorfrau, eine Äbtissin und eine Adelige - aber vor allem eine Heilige, deren Leben ausführlich beschrieben wurde.
Die Hauptquelle zu ihrem Leben ist wie bei den meisten Heiligen und Seligen eine Vita, die der Kleriker Engelhard in Klosterlangheim um 1200 auf Wunsch ihrer Herkunftsfamilie schrieb. Diese Vita wurde ca. 40 Jahre nach ihrem Tod, also noch relativ zeitnah, verfasst. Der Biograph hat vielleicht noch Menschen befragen können, die Mechthildis noch persönlich erlebten. Auch wenn er ihre Lebensgeschichte ein wenig ausgeschmückt und entsprechend seinen Vorstellungen gedeutet hat, bietet sie ein Lebensbild, dass durchaus Glaubwürdigkeit vermittelt.
Mechthildis von Dießen war eine Tochter des in Franken und Bayern reichbegüterten Grafen Berthold (II.) von Andechs (gest. 1151). Ihr Vater gilt als Mitstifter des um 1114 gestifteten Augustiner Klosters St. Maria, das um 1123 von St, Georgen nach St. Stephan in Dießen verlegt wurde. Es handelte sich zunächst um ein Doppelkloster für Augustiner Chorfrauen und Augustiner Chorherren. Um 1132 wurde es unter den apostolischen Schutz des Heiligen Stuhls gestellt. Dieser bestätigte dem Kloster zu diesem Anlass auch seine damaligen Besitzungen. Das Kloster St. Maria war zunächst das Hauskloster von Bertholds Familie, wo sich auch die Grablege von dieser befand.
Mechthildis hatte zwei Schwestern, die beide ebenfalls ins Kloster kamen: Euphemia von Altomünster (gest. um 1180) und Kunissa von Admont. Da ich die Familienverhältnisse bereits ausführlich in meinem Artikel zu Euphemia von Altomünster beschrieben habe, bitte dort nachlesen.
Bereits mit fünf Jahren wurde Mechthildis im gerade erst gegründeten Augustiner Chorfrauen Kloster St. Maria aufgenommen. Sie wurde, damals für adelige Mädchen üblich, im Kloster erzogen. Ob bereits geplant war, sie dort zu lassen, ist nicht bekannt. Es ist auch nicht überliefert, dass sie sich gesträubt hat, das Leben einer Chorfrau zu führen, als sie mit 14 Jahren ihre Gelübde ablegte. Allerdings soll sie sich lebenslang geweigert haben, ihre langen blonden Haare abzuschneiden. Ganz so fügsam war sie offensichtlich nicht.
Mechthildis soll ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein gezeigt haben, was sie aber letztlich nicht daran hinderte, sich in das Ordensleben zu integrieren, in dem sie sich durch Güte und Hilfsbereitschaft auszeichnete. Angeblich verfügte sie über eine besondere Gabe der Krankenheilung und soll einige Wunder in der Nachfolge Christi gewirkt haben. Einer Stummen gab sie die Sprache zurück, eine Besessene befreite sie von Dämonen.
Noch relativ jung übernahm Mechthildis die verantwortungsvolle Aufgabe der Novizenmeisterin. Doch dann nahm ihr Leben eine Wende, mit der sie vielleicht selbst nicht glücklich war. 1153 schickte Papst Anastasius IV. (gest. 1154, eigtl. Corrado della Suburra, Papst 1153-1154) sie als Äbtissin in die im heutigen Bayern gelegene Abtei Edelstetten (heute Teil der Gemeinde Neuburg an der Kammel) mit dem ausdrücklichen Auftrag, diese zu reformieren. Dabei ging es wohl in erster Linie darum, dieses Kloster der Augustiner-Regel zu unterstellen. Mechthildis gehorchte, als der Papst sie dazu aufforderte. Hatte sie eine Wahl? Als der Bischof von Augsburg sie zuvor darum gebeten hatte, hatte sie noch abgelehnt.
Die Abtei Edelstetten war ein Kanonissenstift, das um 1126 bei Krumbach erbaut worden war. Stifter war die im heutigen Schwabmünchen ansässige Adelsfamilie Schwabeck-Balzhausen, die Vögte des Hochstiftes Augsburg. Die Chorfrauen von Edelstetten waren adelige Stiftsdamen, die zuvor in einem Damenstift in Ursberg gelebt hatten. Ihre Übersiedlung nach Edelstetten erfolgte, nachdem ihr Ursberger Damenstift einem Brand zum Opfer gefallen war. Offensichtlich waren sie als Stiftsdamen keineswegs besonders motiviert, nun ein Leben als Chorfrauen unter der Augustiner-Regel zu führen und leisteten entsprechenden Widerstand, als ihnen mit Mechthildis eine neue Äbtissin mit Reformauftrag vor die Nase gesetzt wurde. Mechthildis dürfte ihr Bestes versucht und sich dabei gesundheitlich verausgabt haben.
Als Äbtissin von Edelstetten reiste sie im Herbst 1156 zum Reichstag in die Kaiserpfalz zu Regensburg, um dort die Rechte ihres Klosters zu verteidigen. Dort traf sie auch mit Kaiser Friedrich I. "Barbarossa" zusammen, und eine Legende erzählt, dass sie beim gemeinsamen Mahl mit dem Kaiser darauf bestand, nur Wasser zu trinken, wie sie es ihr Leben lang als Augustiner Chorfrau gehalten hatte. Dieses soll ihr aber besser geschmeckt haben als der herrlichste Wein aus der Levante.
Schwer von Krankheit gezeichnet, kehrte Mechthildis um 1159 nach Dießen zurück, um dort wenig später zu sterben. Beigesetzt wurde sie zunächst in der Grablege ihrer Herkunftsfamilie in jenem Kloster, wo sie die meiste Zeit ihres Lebens verbracht hatte. Für ihre Schwester Euphemia war sie angeblich ein Vorbild, weswegen diese bei ihr beigesetzt werden wollte. Mit dem Aufstieg zur Seligen hatte die Kirche aber eine andere Verwendung für ihre Gebeine. Aber das ist eine andere Geschichte.
Quellen und Literatur
Jakob Torsy (Hrsg,): Lexikon der Deutschen Heiligen, Seligen, Ehrwürdigen und Gottseligen. Verlag J. P. Bachem, Köln, 1959, S. 398
Tobias Weller: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (= Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Köln. Bd. 149). Böhlau, Köln / Weimar / Wien, 2004. ISBN 3-412-11104-X, S. 707
Joachim Schäfer: Artikel Mechthildis von Dießen. In: Ökumenisches Heiligenlexikon Online, Link: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienM/Mechthildis_von_Diessen.html, abgerufen am 20. Juli 2024
Artikel bei Wikipedia, Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Mechtild_von_Dießen, abgerufen am 20, Juli 2024
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