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AutorenbildDie Querleserin

Wer war Euphemia von Altomünster

Aktualisiert: 20. Juli

Euphemia von Altomünster (12. Jahrhundert, vermutlich auf der Burg Dießen oder auf der Burg Andechs, beide im Herzogtum Bayern / heute Deutschland - um 1180, vermutlich in Altomünster, Herzogtum Bayern / heute Deutschland, Benediktinerin, Äbtissin des Klosters Altomünster; verehrt als Selige, Gedenktag: 17. Juni (vermutlich ihr Todestag)


Euphemia von Altomünster lebte im 12. Jahrhundert. Sie war eine Tochter des in Franken und Bayern reichbegüterten Grafen Berthold (II.) von Andechs (gest. 1151). Dessen Ehe mit Sophia, der Tochter des Markgrafen Poppo (II.) von Krain-Istrien (gest. 1102/07), begründete eine nahe Verwandtschaft mit den Familien der Staufer und der Welfen, die beide in der zweiten Hälfte des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts die wichtigsten Adelsfamilien im Reich waren. Nach dem Sturz von Herzog Heinrich dem Löwen (gest. 1195) wurde Euphemias Bruder Berthold (III.) von Andechs (gest. 1188) zum Herzog von Meranien und Dalmatien erhoben und zählte damit offiziell zu den Reichsfürsten. Seine Kinder und Enkel schlossen zum Teil sehr prestigeträchtige Ehen, doch sollte der Aufstieg seiner Familie durch die Ermordung des "römischen" Königs Philipp 1208 einen schweren Rückschlag erhalten. Mitte des 13. Jahrhunderts starb die Familie dann in männlicher Linie aus. Bertholds Enkelin Hedwig und seine Urenkelin Elisabeth wurden später heiliggesprochen.


Ein weiterer Bruder von Euphemia schlug eine Klerikerlaufbahn ein. Otto von Andechs (gest. 1196) brachte es zum Bischof von Brixen (1165-1170) und Bamberg (1177-1196). Von ihren drei Schwestern heiratete Gisela (gest. nach 1150), vermutlich die Älteste der Schwestern, als Einzige. Mit ihrem Ehemann, dem in Oberschwaben ansässigen Grafen Diepold (II.) von Berg (gest. um / nach 1160) hatte sie viele Kinder, darunter vier Bischöfe und zwei Töchter, welche in die polnische Adelsfamilie der Piasten und die böhmische Adelsfamilie der Przemysliden einheirateten. Mathilde (gest. 1160), besser bekannt als Mechthildis von Dießen, vermutlich ebenfalls eine ältere Schwester von Euphemia, war zunächst Augustiner Chorfrau im Familienkloster in Dießen und wirkte dann einige Jahre bis zu ihrem frühen Tod als Äbtissin des Stiftes Edelstetten bei Krumbach, das unter ihrer Aufsicht der Augustiner-Regel unterstellt wurde. Kunissa (Kunigunde), vermutlich die Jüngste der Schwestern, wurde in die Benediktinerabtei Admont gegeben.


Die Geschichte des Klosters in Altomünster, in dem Euphemia als Äbtissin wirkte, ist ziemlich verwickelt und zum Teil auch widersprüchlich. Vor 760 soll der Heilige Alto, der Namensgeber von Altomünster, dort in einer Eremitenzelle gelebt haben. Aus seiner Einsiedelei entstand ein Benediktinerkloster, das den Heiligen Petrus und Paulus geweiht war. Um 970 wurde dieses von den Welfen erneuert. 1056 gründeten diese dann das Benediktinerkloster Weingarten, in das die Mönche von Altomünster umzogen. 1053 brannte dann das Benediktinerinnenkloster in Altdorf bei Weingarten ab, worauf seine Nonnen 1056 in das Kloster Altomünster übersiedelten. Um 1496/97 wurde das Kloster dann vom Erlöserorden, den die Heilige Birgitta von Schweden (gest. 1373) gegründet hatte übernommen. Das Kloster war dann bis 1803 ein Doppelkloster, seine Kirche war jetzt den Heiligen Alto und Birgitta geweiht. 1803 wurde das Kloster dann im Zuge der Säkularisation aufgelassen und verlor seinen Besitz und seine Bibliothek. Seine Nonnen, die Birgittinnen weigerten sich aber das Kloster zu verlassen, und es gelang ihnen tatsächlich die Klostergemeinschaft zu erhalten. Erst um 2015/17 wurde das Kloster endgültig aufgelöst.


Als Euphemia von Andechs Mitte des 11. Jahrhunderts in den Nonnenkonvent des Klosters in Altomünster eintrat, war dieses bereits ein Benediktinerinnenkloster. Nach der "Acta Sanctorum" soll Euphemia durch ihre Frömmigkeit und Unschuld ihre Mitschwestern so beeindruckt haben, dass diese sie nach dem Tod der Äbtissin zu deren Nachfolgerin wählten. Als Äbtissin soll Euphemia den Besitz ihres Klosters gemehrt und ein Leben von hoher Tugend geführt haben. Wie es sich für eine Heilige geziemt!


Zunächst einmal zeigt der Werdegang, dass es offensichtlich gar nicht so einfach war, zur Äbtissin aufzusteigen. Die Nonnen, zumindest die von Altomünster, hatten da sehr wohl ein Mitspracherecht.

Ich möchte Euphemias Wirken als Heilige nicht in Frage stellen, aber möglicherweise hatte ihre Wahl zur Äbtissin auch ganz handfeste, vernünftige Gründe. Euphemia wird dem Kloster eine gute Mitgift eingebracht haben. Aufgrund ihrer Herkunft verfügte sie sicher auch über ein gutes Beziehungsnetz, von dem das Kloster und seine Nonnen profitieren konnten. Es ist auch anzunehmen, dass die Grafentochter eine für ihre Stellung angemessene Ausbildung erhalten hatte, die es ihr als Äbtissin ermöglichen würde, die Rechte und Interessen des Klosters wirkungsvoll zu vertreten und zu verteidigen.


Für Euphemia selbst war der Aufstieg von der „einfachen“ Nonne zur Klosterleiterin ebenfalls interessant. Nachdem ihr von ihrer Familie keine Ehe erlaubt worden war oder sie das auch selbst nicht gewollt hatte, war die Position einer Äbtissin sicher eine sehr attraktive Alternative. Wenn Euphemia sich dann auch noch durch eine tugendreiche und vorbildliche Lebensweise auszeichnete, war das kein Nachteil. Es spricht nicht gegen sie als Selige, wenn sich hinter ihrem Aufstieg zur Äbtissin auch handfeste Interessen und vielleicht ein wenig eigener Ehrgeiz finden lassen. Ihre spätere Verehrung als Heilige zeigt schließlich, dass sie die Anforderungen, die das Leben an sie stellte, gemeistert hat.


Offensichtlich aber war Euphemia letztlich doch mehr ihrer Herkunftsfamilie als ihrem Kloster verpflichtet. Denn nach ihrem Tod wurde sie nicht in diesem, sondern in der Grablege ihrer Herkunftsfamilie in Dießen beigesetzt.

 

Quellen / Literatur

  • Jakob Torsy (Hrsg,): Lexikon der Deutschen Heiligen, Seligen, Ehrwürdigen und Gottseligen. Verlag J. P. Bachem, Köln, 1959, S. 148

  • Tobias Weller: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (= Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Köln. Bd. 149). Böhlau, Köln / Weimar / Wien, 2004. ISBN 3-412-11104-X, S. 707



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Da es zu weit vom Thema wegführen würde, bin ich nicht auf die in der Forschung keineswegs eindeutig geklärten Familienverhältnisse des Grafen Berthold (II.) von Andechs eingegangen. Eindeutig belegt ist seine Ehe mit Sophia von Istrien. Eine weitere Ehe mit der Grafentochter Kunigunde von Formbach ist dagegen in der Geschichtsforschung umstritten, da es dazu bisher nur einen einzigen schriftlichen Hinweis in einer spätmittelalterlichen Genealogie gibt. Wenn Berthold (II.) tatsächlich zweimal verheiratet war, wird es sich vermutlich bei einem Teil von Euphemias Geschwistern um ihre Halbgeschwister gehandelt haben. Bei Tobias Weller findet sich die Theorie, wonach die Schwestern Euphemia, Mechthildis und Kunissa aus der zweiten Ehe mit Kunigunde von Formbach waren und daher ins Kloster kamen, um Erbstreitigkeiten mit den Kindern aus anderen Ehe zu verhindern. Eine mögliche Theorie, aber nicht die einzige und auch ohne Belege. Vgl. Tobias Weller, Die Heiratspolitik, S. 707

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