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AutorenbildDie Querleserin

Wer war Ursula von Köln?

Ursula von Köln (5, Jahrhundert, vermutlich in England - 4. Jahrhundert, um 451, in oder bei Agrippina / heute Köln / Deutschland), Märtyrerin; als Heilige verehrt; Gedenktag: 21. Oktober (seit 1969 nicht mehr im kirchlichen Festkalender)


Ursula von Köln, einmal eine sehr populäre Heilige, ist heute eine der sehr umstrittenen Heiligen, da sie im 20. Jahrhundert als wohl doch fiktive Person aus dem Römischen Kalender gestrichen wurde und somit offiziell innerhalb der römisch-katholischen Kirche ihren Heiligenstatus wieder verloren hat. Damit befindet sie sich allerdings in guter Gesellschaft, denn dem Heiligen Christophorus oder der Heiligen Barbara ist es nicht anders ergangen. Wahrscheinlich wird es ihr aber nicht so ergehen wie der Heiligen Katharina von Alexandrien, die zunächst ebenfalls aus dem Römischen Kalender gestrichen, aber einige Jahre später dort wieder aufgenommen wurde. Immerhin wurde der Ursulas Patronat unterstellte Orden der Ursulinen bisher nicht aufgelöst oder umbenannt.

Ursula jedenfalls bietet für Gläubige, aber auch für Nichtgläubige eine ganze Menge Potential - ihre Geschichte ist ein spannender Reisebericht aus dem Mittelalter, mit ihren Gefährtinnen bildet sie eine eindrucksvolle Frauengruppe und ihr Kult bietet Einblick in die wirtschaftlichen Aspekte von Heiligenkulten. Doch auch die Wandlung einiger anonymer Märtyrerinnen zum königlichen Märtyrerinnenkollektiv ist nicht uninteressant.

Nach der Legende stammt Ursula von den britischen Inseln oder aus der Bretagne und ist dort die Tochter eines christlichen Königs. Sie weiht sich Christus und gelobt Jungfräulichkeit, für frühchristliche Märtyrerinnen nicht untypisch. Als der heidnische König von Anglia um ihre Hand für seinen Sohn Aetherius anhält und ihr Vater ihm dies nicht verweigern kann, weil sonst Krieg droht, setzt Ursula auf Verzögerung. Zum Schein stimmt sie der Werbung zu, stellt aber Bedingungen. Ihr Bräutigam hat Christ zu werden, und die Hochzeit soll erst in drei Jahren stattfinden. Für die Zeit bis dahin fordert sie für sich die Erlaubnis zu einer Reise oder Pilgerreise, zu der sie wenig später mit einigen Gefährtinnen und deren weiblichen Gefolge aufbricht.

Nun geht es mit dem Schiff nach Köln, von wo Ursula zu einer Pilgerfahrt nach Rom aufbricht. In der Legende wird sie dazu von einem Engel aufgefordert, der sie bereits bei der Werbung von Aetherius beraten hatte und ihr das Martyrium für ihre Rückkehr aus Rom ankündigt. Ursula weiß also, dass ihr die Ehe erspart bleiben wird, aber auch, dass sie nicht einmal mehr drei Jahre zu leben hat. Ob sie ihre Gefährtinnen, die mit ihr das Martyrium erleiden werden, darüber informiert hat – es wäre jedenfalls ihnen gegenüber nur fair gewesen. Zunächst geht es jedenfalls zu Schiff auf dem Rhein bis Basel. Von dort ziehen Ursula und ihre Gefährtinnen zu Fuß nach Rom.

Die Rückreise führt dann wieder über Köln, das schon längere Zeit von den Hunnen belagert wird. (Dabei ist Belagerung, nach allem, was von den Hunnen bekannt ist, eigentlich eine für sie unübliche Taktik!) Ursulas Begleiterinnen werden von den Hunnen auf brutale Weise ermordet, als sich Ursula, die als Letzte noch am Leben ist, dem Hunnenfürsten verweigert, tötet sie dieser mit einem Pfeil. Der Tod von Ursula und ihren Gefährtinnen ist zugleich das Opfer, für das Köln von den Hunnen verschont bleibt. Denn gleich nach ihrem Tod erscheint eine Schar von Engeln, verjagt die Hunnen und rettet die Stadt. Köln dankt Ursula, indem es sie zu seiner Schutzpatronin erhebt.

Zumindest handelt es sich bei der Legende um eine aufregende und abenteuerliche Geschichte, die eigentlich alles hat, was für einen guten Unterhaltungsroman erforderlich ist. Eine Frau aus bester Familie will nicht heiraten und findet Wege, die bevorstehende Ehe wenigstens für einige Zeit aufzuschieben. Stattdessen geht sie erstmals mit Freundinnen auf "Weltreise". durch Europa, hält sich in verschiedenen Städten auf, um dann bei ihrer Rückkehr einen heldenhaften Tod zu sterben, der immerhin eine Stadt und somit eine Menge Menschen rettet.

Dass die Ursula dieser Legende tatsächlich gelebt hat, wird heute, wohl zu Recht angezweifelt, da es zu ihr und ihren Gefährtinnen keine historischen Quellenbelege gibt, und die Legende um Ursula auch nicht gerade realistisch klingt.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Ursulas Geschichte einen historischen Kern hat. Aus dem 4. oder 5. Jahrhundert hat sich eine Lapidar-Inschrift erhalten, also eine Steintafel mit einer Inschrift: die  "Inschrift des Clematius". Nach dieser hatte ein Mann mit Namen Clematius eine Vision, die ihm befahl, eine Kirche (Basilika) an jener Stelle erbauen zu lassen, wo die heiligen Jungfrauen für den Namen Christi ihr Blut vergossen haben, Diese Kirche wurde später zerstört, doch seine Steintafel findet sich heute in der Basilika St. Ursula in Köln, die als Nachfolgekirche der von ihm gegründeten Kirche gilt.

Es gab also tatsächlich einige junge Frauen, die in oder bei Köln im 4. oder 5. Jahrhundert oder auch früher als Christinnen getötet wurden, wobei der genaue Zeitpunkt, ihre Namen und Anzahl nicht genannt sind. In der Geschichtsforschung wird vermutet, dass es sich dabei um Märtyrerinnen der "Diokletianischen Christenverfolgung" (um 306) gehandelt hat und das hier der Ursprung der Ursula-Legende zu finden ist.

Der Kult um Ursula verbreitete sich dann ab dem 8. Jahrhundert. Ihre Legende ist erstmals um 969/976 aufgezeichnet, als "Fuit tempore pervetusto" (erste Passio). Eine zweite Version "Regnante Domino" (zweite Passio) stammt aus dem späten 11. Jahrhundert und wurde bereits wesentlich ausgeschmückt und erweitert. Zu dieser Zeit hatte die Mystikerin Elisabeth von Schönau Visionen über das Martyrium der Heiligen Ursula, in denen Ursulas weibliche Gefolgschaft durch Männer ergänzt wurde, die mit ihr zusammen den Märtyrertod erleiden. So wird Ursula mit ihren Begleiterinnen in Rom von einem Bischof von Rom (Papst) mit Namen Siricius (Cyriakus) getauft, der dann sein Papstamt niederlegt und sie nach Köln zum Martyrium begleitet. Auf der Reise von Rom nach Köln trifft Ursula ihren Bräutigam Aetherius wieder, der inzwischen tatsächlich Christ geworden ist und sie ebenfalls zum Martyrium nach Köln begleitet. Dazu kommen noch weitere zahlreiche kirchliche und weltliche Würdenträger, darunter mit Pantalus und Mauritius noch zwei weitere Bischöfe aus Sizilien. (Aus heutiger Sicht könnte man vermuten, dass für das 11. Jahrhundert die reine Frauengruppe, die mit ihrem Märtyrertod eine Stadt rettet, zu "feministisch" war und deshalb männliche Unterstützung erhielt.) Der Gruppe um Ursula schließt sich dann noch eine verwitwete Königin von Sizilien mit Namen Gerasina an, mit ihrem Sohn und ihren vier Töchtern. Sie soll eine Schwester von Ursulas Mutter Daria gewesen sein. Ursula bekommt also noch Verwandtschaft.

Was Ursulas Gefährtinnen betrifft, sind seit dem 9. Jahrhundert einige Namen überliefert. Bereits im 10. Jahrhundert entstand aufgrund eines Lesefehlers die Vorstellung, dass es sich bei Ursulas Begleiterinnen um 11.000 Jungfrauen gehandelt hätte. In der neueren Forschung wird vermutet, dass es ursprünglich 10 Gefährtinnen waren, die Ursula auf ihrer Reise begleiteten. Als Namen überliefert sind: Sencia, Gregoria, Pinnosa, Kordula, Saula, Odilia, Saturnia (Saturnina), Rabacia, Saturia und Palladia, Brittola, eine Martha, Sambaria, eine Theodora, eine Margaretha, eine Verena, Berga und Kunigunde, Kunera von Rhenen und Aurelia von Straßburg, um die zum Teil sogar eigene Legenden gebildet wurden. Die 11.000 Jungfrauen boten genug Leerstellen, die später mit verschiedenen unbekannten und wohl auch fiktiven Heiligen gefüllt werden konnten.

Die 11.000 Jungfrauen erhielten eine Art Bestätigung, als zu Anfang des 12. Jahrhunderts bei der Erweiterung der Kölner Stadtmauern in der Nähe der Basilika St. Ursula ein römisches Gräberfeld entdeckt wurde. Vielleicht war diese Bestätigung aber von der Stadt Köln und ihren Erzbischöfen auch gewollt, denn das Gräberfeld erhielt den Namen "ager Ursulanus” / "Ursulas Acker", und die Vielzahl der Reliquien, die nun von Köln aus in alle Welt gingen, trug sicher nicht nur erheblich zur Popularität des Ursula-Kultes bei, sondern dürfte die bischöflichen und die städtischen Kassen auch ganz gut gefüllt haben.

Die erweiterte und ausgeschmückte Ursula-Legende wurde im 13. Jahrhundert von Jacobus de Voragine als Legende "Von den elftausend Jungfrauen" in seine Legendensammlung "Legenda aurea" übernommen. Sie fand Eingang in die Literatur und besonders in die bildende Kunst. Gerade für Frauenorden dürfte Ursula mit ihren Jungfrauen ein ideales Vorbild und ein beliebtes Bildmotiv gewesen sein. Ursulas Reisen boten zudem genügend Raum für ihre persönliche Anwesenheit an den verschiedenen Orten, wo später Kapellen, Kirchen oder Klöster unter ihrem Patronat errichtet wurden,

Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit erlebte der Kult um die Heilige Ursula, den besonders die Benediktiner-, Prämonstratenser- und Zisterzienser-Orden förderten, seine Blütezeit. Es bildeten sich Bruderschaften, die sogenannten "Ursula-Schiffchen", deren Mitglieder auf den Beistand und die Fürsprache der Heiligen Ursula setzten. Noch während der Reformation und Gegenreformation förderten die Jesuiten die Verehrung von Ursula und ihren Gefährtinnen. Um 1535 förderte Angela Merici die Frauenbildung und gründete dazu in Brescia ihre "Compagnia di S‘Orsola", aus der später der Orden der Ursulinen wurde.

Während der Aufklärung verlor die Reliquien- und mit ihr die Heiligenverehrung an Bedeutung. Als der Heilige Stuhl im 20. Jahrhundert damit begann, die Anzahl der von ihm offiziell anerkannten Heiligen zu reduzieren, wurde der Festtag der Heiligen Ursula 1969 aus dem Römischen Kalender gestrichen, da es zu ihrem Leben keine historischen Belege gibt und sie nun mit ihrer Begleitung als fiktive Heilige galt. Der Ursula-Kult wurde aber nicht verboten, die Verehrung lokal weiterhin gestattet. Abgesehen davon, dass Ursula noch immer als Vorname zu finden ist, hat sich die Verehrung der Heiligen Ursula bis heute in Köln gehalten, wo sie auch weiterhin Stadtpatronin ist und wo ihr früherer Festtag auch weiterhin gefeiert wird.

 

Quellen und Literatur

  • Erhard Gorys (Hrsg.): Lexikon der Heiligen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1997. ISBN 3-423-32507-0, S. 291

  • Hiltgart L. Keller (Hrsg.): Reclams Lexikon der Heiligen und Biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der Bildenden Kunst. Philipp Reclam jun., Stuttgart, 9., durchgesehene Auflage 2001. ISBN 3-15-010492-0, S. 556-559

  • Bruno Steiner: Herders Lexikon der Heiligen. Herder, Freiburg / Basel / Wien, 3. Auflage 2011, S. 331

  • Jakob Torsy (Hrsg,): Lexikon der Deutschen Heiligen, Seligen, Ehrwürdigen und Gottseligen. Verlag J. P. Bachem, Köln, 1959, S. 538f.

  • Albert Urban (Hrsg.): Lexikon der Heiligen und Namenstage. Herder, Freiburg im Breisgau, 2. Auflage 2014. ISBN 978-3-451-32312-6, S. 411f.


  • Information zur Heiligen Ursula, ihrer Legenden und deren Hintergrund, Website des Erzbistums Köln, Link: https://thema.erzbistum-koeln.de/heilige/heilige-ursula/Legende/entstehung_der_ursula_legende.html, abgerufen am 3. August 2024

  • Wie viel Wahrheit steckt hinter Kölns Stadtpatronin?, Website Domradio.DE, Link: https://www.domradio.de/artikel/ursula-und-ihre-11000-gefaehrtinnen-wie-viel-wahrheit-steckt-hinter-koelns-stadtpatronin, abgerufen am 3. August 2024

  • Joachim Schäfer: Artikel Ursula von Köln und 11.000 Gefährtinnen, Ökumenisches Heiligenlexikon Online, Link: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienU/Ursula_von_Koeln.htm, abgerufen am 3. August 2024

  • Artikel bei Wikipedia, Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Ursula_von_Köln,abgerufen am 3. August 2024



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